Sonntag, 23. Oktober 2011

Die Jagd moderner Neandertaler

Heute gibt es hier im Städtle einen verkaufsoffenen Sonntag. Puhh, da bleibt mal wieder nur die Flucht aus dem pulsierenden Stadtleben. Der einzigste Tag der Woche, in der sich der Verkehr nicht vor meiner Haustüre staut, der einzigste Tag in der Woche an dem man in der Fußgängerzone nicht überrannt wird, der einzigste Tag in der Woche, wo die Stadtbewohner ihr Städtle mal für sich haben, ohne Lärm, ohne Gestank und vor allem ohne Hektik.

Wir haben doch eine Wirtschaftskrise, so dachte ich jedenfalls. Dazu passt es doch gar nicht, dass wir zu den dreißig Paar Schuhen im Regal auch noch ein einunddreißigstes und auch ein zweiunddreißigstes Paar brauchen. Obwohl das alte Handy noch taugt, braucht es aber immer das neueste Smartphone. Das alte Sofa ist noch gut und eigentlich auch superbequem und trotzdem muss ein neues her.
Die Menschen kaufen immer mehr ein, auch unnötiges, frei nach demMotto: "Ich konsumiere, also bin ich!".
In früheren Zeiten galt der Einkauf der konkreten Befriedigung von Bedürfnissen, wie Hunger und Durst. Heute wird einkaufen "shoppen" genannt und ist reine Freizeitbeschäftigung. Der Erwerb bestimmter Produkte unterstreicht unsere Identität.

Unlängst habe ich gelesen, dass Einkaufen immer mehr zum Selbstzweck wird und an die Jagd eines Neandertalers erinnert.
Nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) gehen 45 Prozent der Deutschen in ihrer Freizeit gern Schaufensterbummeln und Shoppen. Damit liegt Einkaufen als Hobby sogar noch vor Sport treiben (44 Prozent).
Funktionieren tun Shopping und Sport nach dem selben Muster- jedenfalls in unserem Gehirn. Es werden Glückshormone ausgeschüttet!
Wer kennt das nicht? Da ergattert man im Gerangel in den Konsumtempeln exakt die Hose, welche perfekt zum kürzlich geposteten Oberteil passt und dann noch ohne groß probieren, wie es beim Hosenkauf sonst so üblich ist. An der Kasse wird dann noch eine Extraportion Glückshormon ausgeschüttet- auf den so und so schon supergünstigen Preis gibt es nochmals eine Reduzierung. Fantastisch, was man da so alles spart, da muss man doch einfach zugreifen!!!!

Und natürlich sind wir doch alle intelligente und vernünftige Konsumenten und lassen uns auch gar, gar, gar nicht von der Werbung, vom ansprechenden Ambiente, von raffinierten Verpackungen zum Kauf verleiten, wir treffen unsere Kaufentscheidungen wohl überlegt selbst!

Längst ist unser Konsumverhalten von Gefühlen gesteuert die jegliche Vernunft ausschalten- Einkaufen hat etwas Triebhaftes bekommen! In der grauen Vorzeit bestimmten die Grundbedürfnisse wie Hunger und Durst den Tagesablauf unserer Vorfahren. Der Jagd- und Sammeltrieb des Neandertalers ist zum Shopping-Zeitvertreib verkommen. Aus dem Homo Erectus wurde der Homo Consumeris.

Mir tun die Kinder leid, die auch heute, am Familientag zum Einkaufsbummel in die Stadt gezogen werden und die dort ihren natürlichen Bewegungsdrang und ihre natürliche Neugierde befriedigen müssen. Kein Wunder dass den Kindern heut zu Tage der Bezug zur Natur abhanden kommt, bei der Freizeitbeschäftigung die ihnen ihre Eltern vorleben.

Letzte Woche wollte ich ein paar notwendige Dinge einkaufen gehn, eine neue Teekanne, eine bequeme, warme Jacke für meine sportliche Runde am See....
ich habe die Einkaufsmeile fluchtartig verlassen: überall, allüberall in den Geschäften und Auslagen sah so ich goldene "Lichtlein" blitzen. Wir haben Oktober und man könnte meinen, das Christkind steht morgen vor der Türe.
Ich werde den Tee aus der alten Kanne mit dem abgeplatzen Schnabel trinken und der Fleece-Pulli vom letzten Herbst genügt vollauf für meine tägliche Runde am See.
Nie und nimmer werde ich mich dem Konsumdiktat dieser Zeit unterwerfen. Bei mir löst das Shoppen keinen Jagd-und Sammeltrieb aus, es werden keine Glückshormone frei gesetzt, bei mir wird da eher der natürliche Fluchttrieb ausgelöst!

Mein Sammel- und Jagdtrieb ist da ganz anderer Natur und setzt auch eine ganze Menge Glückshormone frei!
Man trifft in der freien Wildbahn noch eine ganze Menge anderer Sammler und Jäger. *schmunzel*




Den Graureiher auf Fischfang



Den Igel auf der Suche nach den letzten fetten Würmern





Die Krähe die mit Verstand die Nüsse knackt





Und der Quaker, der sammelt und jagt nicht, der geht an meiner Statt nun im See baden. *lach*

8 Kommentare:

Rebekka hat gesagt…

...na aber hallo, liebe Juana !
Du hast mir sowas von aus dem Herzen gesprochen ! Es ist fürchterlich, bei herrlichstem herbstlichem Sonnenschein die Weihnachtsdeko und auch die entsprechenden kulinarischen Lebensmittel entgegengeschleudert zu bekommen ! Diese, deine, Gedanken hatte ich in den letzten Tagen auch....WAS braucht ein Mensch wirklich...? Wobei ich ja nicht sagen möchte, ich wäre so einigen Dingen nicht auch schon verfallen....doch mit den Jahren jetzt merke ich immer mehr, man hat zuuuuuuu viel Ballast...was braucht man die vielen Dinge, die sich mit der Zeit der Jahre angesammelt haben ? Wohin damit - keiner möchte dies " alte " Zeugs mehr, denn jeder hat ja seine eigenen " gesammelten Werke ".....früher ging dies alles mit in die " Erbmassen "....und wurde auch von der nachfolgenden Generation gerne, oft aber auch notgedrungen, angenommen - bis man sich selbst den eigenen Geschmack leisten konnte...!
Wie du so schön sagtest, wir Menschlein haben uns weit entwickelt, allerdings in bestimmter Weise auch zurück zu Jägern und Sammlern, auch dem Wahnsinn folgend : besser, weiter, höher - mehr !! Ich wills ja nicht hervororakeln, aber eines Tages werden wir uns wieder auf das ganz wesentliche unseres Daseins beschränken - müssen und dürfen !
Ich gehe heute aber auch " sammeln "....nämlich schöne Momente, schöne Stunden in meinem Lieblingstheater zu Bad Elster......" die schönsten Broadwaymelodien..." ich freu mich drauf......und sende dir schnell noch liebe Sonntagsgrüße aus dem sonnigen Vogtland...
Rebekka

Bl@ckSheep hat gesagt…

Hola Eure Hoheit,
das Schaf ist zurück aus den Highlands. ;o))
Schön war es!!!

Zu deinem Bericht gebe ich folgenden Kommentar: ich kann Dich absolut gut verstehen.

In diesem Sinne noch einen relaxten sonnigen Sonntag! LG vom schwarzen Wollknäuel

PS: Noch einen Kommentar zu einem Deiner vorherigen Berichte > Wahre Männer lieben Kurven, nur Hunde spielen mit Knochen! <
ROFL und weech is det Schaf

seekoenigin hat gesagt…

Juhuuu Rebekka,

grad komm ich nach Hause, der Nebel hat sich einigermaßen "früh" gelichtet und nun stahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel.
Erstaunlich ruhig war`s am See für einen Sonntag, nur wenige Menschen waren unterwegs, doch je näher ich auf dem Heimweg der Innenstadt kam um so voller wurde es rings um mich rum. Menschen, bepackt mit Einkaufstüten, wie wenn es was umsonst gegeben hätte, kamen mir auf ihrem Nachhauseweg entgegen. Die letzten Meter vom See zu meiner Haustüre hat sich unendlich gezogen, ein Durchkommen war nur im Slalom möglich.
Es riecht nach gebrannten Mandeln, Bratwürstchen, Schupfnudeln und Dinnelen, fehlt nur noch der heiße Glühwein. *würg* Man könnte meinen die ganze Stadt ist ein großer Rummel.

Die Kids sind auch voll bei der Sache, wahrscheinlich werden sie heute Abend lange, lange Wunschzettel schreiben, damit die Eltern das, nein eher die richtigen Weihnachtsgeschenke kaufen. Umtauschen ist ja immer so lästig. Brr, mich schüttelt`s grad.

Es ist nicht so, dass ich nicht auch mal konsumiere und kaufe, obwohl ich etwas gar nicht unbedingt brauche, aber ständig?

Nein, man sollte es nicht verschreien, aber der Mensch wird erst zur Besinnung kommen und mit einem "dicken Schädel" aus dem Konsumrausch erwachen, wenn es zu spät ist.

Liebe Rebekka, dir erlebnisreiche Stunden bei Broadwaymelodien, einen entspannten Wochenendausklang und einen lieben Gruß vom See
Juana

seekoenigin hat gesagt…

Hey, hey, hey, mein urlaubendes Highland-Schaf, :-)

schön von dir zu lesen. Freut mich dass du wohlbehalten wieder im Ländle gelandet bist.
Ich erwarte in den nächsten Tagen einen ausführlichen Reisebericht, gell! *lach*

Du wirst deinen Rucksack auch nicht mit überflüssigen Konsumgütern gespickt haben, sondern nur auf das Notwendigste beschränkt, nehme ich mal schwer an. *lach*

Back to basic würde manch einem konsumgeilen Menschlein, mal nicht schaden. :-D

Zu deinem P.S., ich wusste gar noch nicht, dass es so viele Hunde gibt! *lautlach*

Viele, viele liebe Grüße vom See nach der großen Hauptstadt und einen gemütlichen Restsonntag!
Juana

Das schwarze Wollknäuel hat gesagt…

Hola Juana,
hier mal mein Vorweihnachtlicher Beitrag:

http://youtu.be/DAvk8rem8qY

Darüber kann ich immer wieder lachen.

Fröhliche Weihnachten ;0))

seekoenigin hat gesagt…

Um Himmels Willen, Määh, du machst mir Angst! :-D

Jetzt weiß ich warum heute ständig Sirenen am tönen waren und ständig irgendwelche Hubschrauber am so schönen blauen Himmel gehubschraubt haben. Es scheint da hab ich wirklich Schwein gehabt! Wahrscheinlich bin ich nur deswegen dem Inferno entkommen, weil ich in meiner "Wolke der Ignoranz" über all dem geschwebt bin.

Nun ist`s draußen still und dunkel. Grad recht zum einen entspannten Gruß durch den Abend zu senden. :-)

helga hat gesagt…

Hallo Königin!

Was für ein Post über die "Konsumwütigen"! Daumen hoch! Gefällt mir!
Aber so a bissl erkenn ich mich wieder ... ich geh auch ganz gern mal "schöppeln" und schleppe unnützes Zeugs nach Hause! :-( ... aber was Alles Andere betrifft: Ich lebe in meinem alten "Interieur" recht zufrieden und glücklich - eine neue Couch hab ich mir gegönnt - weil die Alte von den Katzen niedergemacht geworden ist - und einen noch grösseren Esstisch hab ich gebraucht - weil die "Ableger" immer mehr geworden sind ... ansonsten bleibt Alles, bis ich "in die Grube springe" :-) ... ob modern oder nicht!

Liebe Königin - ich bin heute zurück von deinem See - schöne Tage hatte ich - bis Konstanz bin ich nicht gekommen, aber das nächste Mal ganz bestimmt!
Es grüsst ich die Helga von der Lechfeldheide!

seekoenigin hat gesagt…

Ein fröhliches "Guten Morgen" aus dem dicken Nebel am See!

Es ist ja nicht so, dass ich auch mal gerne "lädele" geh. Letztens hab ich mir bonbonfarbene Strumpfhosen und Stulpen die bis zum Oberschenkel reichen gekauft. Ist jetzt nur die Frage ob und wann ich mich in kneifende Strumpfhosen zwänge. Aber für den Fall der Fälle liegen sie jedenfalls bereit. *lautlach*

Wahrscheinlich bin ich auch schwer von der Kaufkraft der schweizer Eidgenossen geschädigt, aber mich wundert das einfach woher die Leute, auch die ganz Jungen, soviel Geld haben um derart zu konsumieren. An dem verkaufsoffenen Sonntag wurden 90 000 Besucher im Städle gezählt, 45 000 allein in dem Shopping-Center vor meiner Haustür.
Die sollen wohl den schönen Tag nicht nur zum Einkaufen sondern auch zum Mittagessen, Kaffee trinken und zum Besuch der Therme genutzt haben. Die Straßencafés waren trotz Sonnenschein spärlich besucht, das Außenbecken der Therme war ungewöhnlich leer, Kinder dürfen da ja auch nicht rein. Und wenn man bedenkt, dass eine Tasse heiße Schoki, ohne Sahne, um 3 Euro kostet ist das ja kein Wunder. Irgendwo scheint der Konsum dann doch beschränkt zu sein.

Schöne Tage hattest du an meinem See, wie ich auf deinen Fotos gesehen habe. Ich glaub auf der anderen Seite ist es immer schon ein bisschen früher sonnig gewesen, als auf meiner Seite. Aber ich will ja mal nicht über die ungewöhnlich milden, letzten Oktobertage meckern, sondern nehm sie auch noch gerne ein paar Tage mit. Meinetwegen kann es so bis Weihnachten bleiben. *lach*

Liebe Grüße durch den frühen, noch dunklen Tag, sendet
Juana